BLEIWEISS ISOTOPEN
PROJEKT
Bleiweiss, das als ältestes, künstlich
hergestelltes Farbpigment seit dem Altertum bis hin zur Neuzeit Verwendung in
der Malerei fand, ist in den Gemälden reichlich vorhanden, und bietet sich
deshalb für Untersuchungen an. Durch seine Zusammensetzung eignet sich das
vorhandene Bleiweiss hervorragend dazu, aussagekräftige Messungen der
Isotopenverhältnisse sowie der Spurenverunreinigungen durchzuführen. Diese
Messungen können Hinweise auf die Abbaugebiete des Bleierzes d. h. die Herkunft
des Bleiweisses sowie das Alter des verwendeten Pigmentes geben.
In Zusammenarbeit mit der EMPA St. Gallen
(Schweizerische Forschungs- und Materialprüfanstalt) unterstützte der
Schweizerische Nationalfonds das Forschungsprojekt.
Ziel dieser interdisziplinären Grundlagenforschung
ist es, aufgrund der Spurenverunreinigungen und der Bleiisotopenverhältnisse
genaue Aussagen über den Typ und die Herkunft des in Gemälden verwendeten
Weisspigmentes machen zu können.
Primär gilt unser Interesse den maltechnischen und
materialspezifischen Aspekten. Wir streben an, dass durch unsere Arbeit
zuverlässige Aussagen betreffend der zeitlicher Zuordnung der Entstehungszeit
eines Werkes bzw. über spätere Eingriffe gemacht werden können. Im weiteren
können durch die Analysen, je nach Fragestellung, auch Fälschungen nachgewiesen
werden.
Bleiweisspigmente von Gemälden, welche datierbar
und einem Künstler zugeschrieben werden können, werden in unserem Projekt
analysiert. Diese Befunde werden mit den aus den Abbaugebieten stammenden
Bleiproben, die denselben Analysen unterzogen werden, verglichen. Durch die
Erarbeitung bzw. die Erforschung der internationalen Handelsrouten wird der
Verteilung des Weisspigmentes respektive dessen Verwendung aufgezeigt.
Neben der kunsthistorischen Beurteilung sollen mit
den gewonnenen Erkenntnissen Aussagen betreffend Zuschreibung und Datierung
eines Werkes gemacht werden können.
Durch die genaue materialspezifische Erfassung des
Bleipigmentes dokumentierter Gemälde und deren Vergleich mit Proben aus den
Abbaugebieten des Bleierzes soll durch unsere Arbeit eine Lücke in der
Forschung geschlossen werden. Aufgrund der Spurenverunreinigungen im Blei kann
zwischen cisalpiner und transalpiner Herkunft des Bleierzes unterschieden
werden. Die bisherige Forschung stützt sich auf Untersuchungen von
Bleiweissproben, die von italienischen bzw. holländischen Gemälden stammen. Das
heute identifizierte Bleiweiss wird dementsprechend als „holländisch“ bzw.
„venezianisch“ bezeichnet. Diese Interpretation ist nach unserer Meinung nicht
präzise genug, vielmehr kann sich diese Bezeichnung lediglich auf die
untersuchten Proben beziehen. Dem Forscher fehlt heute die Möglichkeit, die
analysierten Bleiweissproben aus Gemälden einer örtlichen Herkunft zuzuordnen.
In unserer Forschungsarbeit werden drei Arten von
Quellen untersucht:
- Probematerial von bekannten
Bleierz-Abbaugebieten (primäre Quellen)
- Probematerial von datierbaren Gemälden
(sekundäre Quellen)
- Quellenstudium der historischen Handelsrouten
sowie Produktion und Distribution des Pigmentes.
Die für uns ausschlaggebenden Kriterien betreffend
sekundärem Probematerial, also den Bleiweissproben von Gemälden sind:
- Tätigkeit des Künstlers im cis-, sowie als
auch im transalpinen Raum
- Gute Quellenlage/Dokumentation über die
zeitlichen und örtlichen Schaffensperioden
- Vorhandensein datierbarer Werke
- gut dokumentierter Werkstattbetrieb
(Einstellung von Schülern und bekannten Künstler)
- Herausragende Persönlichkeit mit epochalem
Einfluss auf andere Malschulen
In dem grossen flämischen Barockmaler P. P. Rubens
haben wir einen Künstler gefunden, der unseren Kriterien entspricht. Wieso sind
wir bei der Definition der zur Auswahl stehender Künstler gerade auf Rubens
gestossen? Gibt es über diesen wichtigen Künstler noch überhaupt Aspekte, die
nicht bereits mannigfach untersucht worden sind? Unsere Vorarbeiten haben ein
anderes Bild gezeigt und interessante Fragen aufgeworfen, welche wir beim
Studium der Faktenlage nicht befriedigend beantworten konnten. Wir mussten
feststellen, dass es über den wichtigsten Künstler dieser Zeitepoche betreffend
Maltechnik und Material sehr wenige Untersuchungen gibt. Rubens hatte grossen
Einfluss auf die Künstler seiner Zeit. Seine Maltechnik, die sich natürlich im
Laufe seiner Zeit änderte, wurde von zahlreichen Zeitgenossen aufgenommen
imitiert und weiter bis ins 19. Jh. weiter entwickelt.
Rubens führte während seiner langen und erfolgreichen
Schaffenszeit unzählige datierbare Werke aus. Während seiner Karriere arbeitete
Rubens für verschiedene Höfe und seine Reisen führten ihn u. a. nach Italien,
Spanien und England. Viele seiner Werke entstanden im Ausland, während den gut
dokumentierten Aufenthalten. Der Vergleich von heimischem( d. h. in Antwerpen)
verwendeten Materialien und Arbeitstechnik und den Materialen die er während
seiner Auslandsaufenthalte verwendete, offeriert ein grossen Potenzial an
auswertbaren Daten, die erlauben sollen mehr Wissen über die damaligen
Arbeitstechniken, Materialien und Verwendung zu erhalten
Es wurde bis Anhin erstaunlich wenig über diesen wichtigen Künstler erforscht,
weshalb wir uns entschlossen haben Grundlagenforschung zu betreiben.
Dazu müssen die Materialien, in diesem Fall das
Pigment Bleiweiss, genau untersucht werden. Voruntersuchungen an einem, in den
Zeitraum um 1602 datierbaren Gemälde von Rubens haben ergeben, dass ein, in der
Literatur als aus dem „venezianischen“ Raum bezeichneten Bleiweiss Verwendung
fand. Italienisches Bleiweiss würde gut in die Biografie des Künstlers passen,
da sein erster Italien-Aufenthalt in den Zeitraum um 1600-1608 (Venedig,
Mantua, Spanien) fällt. Das Gemälde ist jedoch auf eine Eichentafel gemalt.
Wenn man nun von der Annahme ausgeht, dass ein Künstler v. a. auf lokal
erhältliche Materialien zurückgreift, dann würde zwar die Verwendung von
italienischem Bleiweiss die Regel bestätigen, dagegen spricht jedoch der in
Italien nicht sehr weitverbreitete eichene Holzträger (Linde ist das von den
Italienern bevorzugte Holz). Weitere Voruntersuchungen an Bleiweissproben aus
Rubens’ Antwerpener Jahren weisen ebenfalls auf die Verwendung von Bleiweiss
desselben Ursprunges hin.. Diese Befunde zeigen, dass es zur Abklärung der
Herkunft eines Werkes nicht ausreicht, bloss die materielle Seite zu
untersuchen. Es ist vielmehr unumgänglich, auf die Verbreitung der in der
Malerei zur Verfügung stehenden Künstlermaterialien einzugehen. Nur im Kontext
dieses erweiterten Fragenkomplexes, den wir durch unsere Arbeit zu beantworten
versuchen wollen, können verlässliche Aussagen betreffend der Zielformulierung
dieses Projektes gemacht werden.
- Welches Bleiweiss verwendete Rubens in seinem
Antwerpener Atelier: stammte es von lokalen Bleiminen oder handelte es
sich dabei um ein importiertes Produkt
- Wie verliefen die internationalen
Handelsrouten?
- Welche Materialien verwendete Rubens bei
seinen Aufenthalten im Ausland: waren es primär örtlich erhältliche
Materialien oder hatte er seine eigenen dabei bzw. Liess die Materialien
von Antwerpen herbeischaffen? Was war die Quelle der lokal erhältlichen
Pigmente, waren sie importiert? Oder war das Erz importiert und das
Pigment lokal hergestellt worden?
1. Sammeln und analysieren von sekundärem
Probematerial von identifizierbaren, und wenn möglich datierbaren Gemälden des
17. Jahrhunderts
- Rubens und seine Zeitgenossen (wie Van Dyck,
Jordaens, Brueghel etc.) welche an ihrem Wohnort arbeiten
- Künstler der nördlichen Schule, welche im
Süden arbeiten. (wie Künstlergruppe der „Bamboccianten um Pieter van
Laer)
- Rubens und seine Zeitgenossen die in Italien
und Spanien arbeiten (d. h. Gemälde aus dieser Epoche)
iv. Rubens und seine Zeitgenossen die in England arbeiten (d. h. Gemälde
aus dieser Epoche)
- Italienische, Französische sowie Spanische
Schulen
- Italienische, Französische sowie Spanische
Schulen
2. Sammeln und analysieren von primären
Probenmaterial, d. h. von bekannten Abbaugebieten von Bleierz d. h. Bleiglanz
(Galenit), Cerrusit, sowie dem Nebenprodukt Bleiglätte
- Proben von Bleiminen des nördlichen Europas
(Schweiz, Deutschland, Frankreich Belgien Holland England etc.)
- Proben von Bleiminen des südlichen (u.
östlichen) Europas.
Im Zentrum unserer wissenschaftlichen
Fragestellungen stehen kunsthistorische sowie maltechnische und
materialspezifische Aspekte. Bleiweiss stellt eines der ältesten, künstlich
Hergestellten Pigmente dar, welche in der Malerei vorkommen. Da Bleiweiss
reichlich in Gemälden vorkommt, besteht die Möglichkeit auch innerhalb ein und
desselben Kunstwerkes durch die Auswahl der Entnahmestelle der Proben
unterschiedliche Fragen zu Stellen bzw. Antworten zu finden. Wir wollen in
unseren Untersuchungen bleihaltige Grundierungen, Malschichten sowie Retuschen
bzw. Änderungen durch den Künstler erfassen. Da es sich bei den Gemälden um
einmalige Werke handelt kann nur ein Minimum an Probematerial entnommen werden.
Für die Analyse muss eine Verfahren gewählt werden, welches erlaubt, anhand
kleinster Proben noch aussagekräftige Resultate liefern zu können. Für die
Beantwortung der komplexen Fragen muss auf Künstler zurückgegriffen werden, die
durch zeitgenössische Chronisten genau erfasst wurden. Vorarbeiten an einem der
Künstler von Interesse, P. P. Rubens haben bereits zu vielversprechenden
Resultaten geführt. Wir wollen deshalb bei diesem Künstler fortfahren, weil er
sehr gut dokumentiert ist durch seine Zeitgenossen, in verschiedenen Ländern
Europas gearbeitet hat, und selber über eine grosse Werkstatt verfügte.
Unser Dank gilt den folgenden Institutionen, welche
unser Projekt grosszügig unterstützt haben:
Courtauld Institute of Art, University of London
Collection of H M The Queen, Royal Collection
Denkmalpflege des Kantons St. Gallen
Galerie Koller, Zürich
Getty Conservation Institute, Los Angeles
Hamilton Kerr Institute, University of Cambridge
Historisches Museum St. Gallen
Institut Royal du Patrimoine Artistique, IRPA, Brüssel
Kunsthaus Zürich
Kunsthistorisches Museum, Wien
Museum of Fine Art, Boston
National Gallery of Art, Washington,
National Gallery, London
Opificio delle Pietre Dure, Florenz
Residenzgalerie Salzburg
Rijksmuseum, Amsterdam
Royal Cabinet of Paintings Mauritshuis, Den Haag
Rubenianum in Antwerpen
Sammlungen des Fürsten von Liechtenstein
Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft
Stedelijke Musea Antwerpen
Stiftung Sammlung E. G. Bührle, Zürich
Strauss Center for Conservation and Technical Studies, Harvard University Art
Museums, Cambridge
Schweizerisches Landesmuseum
Technische Universität Bergakademie Freiberg
Vadiana, St. Gallen
Welti-Furrer Fine Art AG
Yale University Art Gallery, New Haven